Samstag, März 17, 2007

Neue Welt 3: Ein Amerikaner in Taormina

Thomas Cole
Mount Etna from Taormina, 1843
199,7 x 306,4 cm, Öl auf Leinwand
Wadsworth Atheneum, Hartford Mass.
mit freundlicher Genehmigung des Bucerius Kunst Forum Hamburg

Jener Thomas Cole, der als Maler der amerikanischen Wildnis (s. Neue Welt 2) zum eigentlichen Begründer der Hudson River School wurde, entdeckte auf zwei Europareisen (1829-32 und 1841-42) seine Liebe zur italienischen Landschaft und Geschichte. Dabei war es eigentlich eine Rückkehr zu seinen Ursprüngen, denn Cole wurde 1801 in Lancashire (England) geboren, wanderte als Kind in den Krisenzeiten nach den Napoleonischen Kriegen mit seiner Familie nach Ohio aus und starb als anerkannter Maler mit nur 47 Jahren 1848 in Catskill (New York). Die Kaatershill Falls, gerade einmal zwanzig Kilometer westlich seines späteren Wohnorts, malte er zum ersten Mal 1825, zu Beginn seiner Malerkarriere. Sie standen im Ruf des größten Naturwunders im Nordosten der Vereinigten Staaten und waren touristisch schon durch die Eröffnung des Catshill Mountain House Hotels im Jahr zuvor erschlossen. Die doppelstufigen Wasserfälle stellten eine romantische Version der amerikanischen Wildnis dar und standen in nichts den legendären Niagarafällen nach, die wenig später Sinnbild amerikanischer Naturgewalten werden sollten.

Das Monumentalgemälde Mount Etna from Taormina entstand 1843, und Thomas Cole stellte es erst fünf Tage vor Eröffnung der Atheneum-Ausstellung am 18. Dezember 1843 in den Räumen der National Academy of Design in New York fertig. Es ist das dritte von sechs Ätna-Bildern, die Cole nach Rückkehr von seiner zweiten und letzten Europareise malte. Er war von London aus mit dem englischen Maler Samuel J. Ainsley über Paris, die Schweiz und Rom nach Sizilien gereist, dessen in Ruinen liegende griechische und römische Altertümer ihn besonders faszinierten. Den Ätna als Manifestation des Göttlichen entwickelte er zum Symbol ewiger Naturlandschaften und platziert ihn hier, schneebedeckt und mit respektabler Rauchfahne über dem Kratermund, in der erhabenen Einsamkeit des rechten Bildhintergrundes. Das Licht der über der Bucht von Naxos untergehenden Sonne, die auch heute noch das moderne Touristenreservat Giardini Naxos bescheint, führt den Blick des Betrachters, ausgehend von einer bukolischen Mönchsfigur im Vordergrund, vorbei an einem mächtigen Säulensockel durch zwei Ruinenbögen und eine Fassadenlücke des antiken Theaters über Meeresbucht und sanft ansteigender Ebene hinauf zum Vulkankegel, den Thomas Cole und Samuel Ainsley 1842 selbst erklommen und rauschhaft erlebt hatten. Die arkadische Landschaft steht in antikisierendem Kontrast zur amerikanischen Wildnis, liefert aber gerade so die Insignien der Erhabenheit, die Cole und seine Malerfreunde der Hudson River School auch zum Kennzeichen amerikanischer Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts entwickeln wollten.

Die künstlerische Ausbeute amerikanischer Maler jenes Jahrhunderts in den Ruinen der antiken Kulturen Europas - und hier insbesondere in Italien von Rom ab südwärts – übertrifft nach deren Meinung alles bis dahin Gesehene und sensibilisiert gleichzeitig für die spektakulären Aus- und Ansichten amerikanischer, wenn dort auch vergleichsweise geschichtsloser Szenerie. Seine Erfahrungen auf dem Alten Kontinent, die Thomas Cole als "einen der grandiosesten Anblicke, die die Welt zu bieten hat", bezeichnet, finden bei der zweiten Generation der Maler der Hudson River School in der Person von Frederick Edwin Church ihre amerikanische Formulierung im Sujet der "donnernden Wasser", denen unsere Aufmerksamkeit in der nächsten Woche gilt.